Internationale Erbfälle und der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts: Urteil des Gerichts von Lecco
Als italienische Kanzlei in Karlsruhe, spezialisiert auf internationales Erbrecht, möchten wir auf eine wichtige Entscheidung des Gerichts von Lecco in Italien hinweisen, die Licht auf die Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts nach der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 wirft.
In Fällen grenzüberschreitender Erbfälle, die nach Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 eintreten, bestimmt Artikel 4, dass die Gerichte (oder Notare) des Landes zuständig sind, in dem der Verstorbene seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Der gewöhnliche Aufenthalt ist dabei nicht nur eine formale oder melderechtliche Angabe, sondern umfasst eine substantielle Bewertung: Er bezeichnet den Ort, an dem sich das dauerhafte und zentrale Interesse und die persönlichen Beziehungen einer Person befinden.
Während es bei eindeutigen Lebensumständen keine Diskussionen gibt, ergeben sich Probleme, wenn der Verstorbene formell in einem europäischen Land gemeldet war, tatsächlich aber auch in einem anderen Land lebte oder sich häufig aufhielt.
Das Gericht von Lecco hat in einem Urteil vom 9. Januar 2024 klargestellt, dass der gewöhnliche Aufenthalt nicht durch Staatsangehörigkeit oder Urlaubsaufenthalte begründet wird. In dem Fall wurde der gewöhnliche Aufenthalt des Verstorbenen in Portugal festgestellt, da er dort mit seiner Ehefrau lebte, seine Rente bezog, medizinisch versorgt wurde und Steuern zahlte.
Die Tatsache, dass der Verstorbene regelmäßig nach Italien zurückkehrte, italienischer Staatsbürger war und dort Freunde und Familie hatte, wurde als rechtlich unerheblich eingestuft.
Dieses Urteil verdeutlicht einmal mehr, dass der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne der EU-Verordnung stets anhand objektiver und substantieller Kriterien bewertet wird. Als Kanzlei in Karlsruhe stehen wir Ihnen bei Fragen rund um internationale Erbfälle und deren rechtliche Einordnung gerne zur Seite.