Wie hoch ist der Pflichtteil in Italien? Eine Einführung für deutsche Erben

Der Pflichtteil ist ein zentrales Element des Erbrechts – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien. Doch obwohl das Prinzip in beiden Ländern ähnlich ist, gibt es einige wichtige Unterschiede, die deutsche Erben beachten sollten, wenn ein Erbfall mit Vermögen in Italien eintritt. In diesem Artikel erklären wir, was unter dem Pflichtteil (suf Italienisch “quota di legittima“) zu verstehen ist, wie er in Italien geregelt ist, wer Anspruch darauf hat und was passiert, wenn er verletzt (sog. “lesione della legittima”) wird.
Was ist der Pflichtteil?
Der Pflichtteil (“quota di legittima“) ist eine gesetzlich festgelegte Mindestbeteiligung am Erbe, die bestimmten nahen Angehörigen zusteht – selbst dann, wenn der Erblasser sie in seinem Testament übergangen oder benachteiligt hat. Ratio ist es, diese nahen Angehörigen vor einem vollständigen Ausschluss vom Erbe zu schützen.
In der Praxis bedeutet das: Auch wenn ein Testament existiert, das den Nachlass komplett einem Dritten zuweist, haben bestimmte Familienmitglieder – sogenannte legittimari also Pflichtteilberechtigte– einen gesetzlichen Anspruch auf einen Teil des Erbes.
Unterschied zwischen der Pflichtteilsregelung in Deutschland und Italien
Obwohl Deutschland und Italien das Prinzip des Pflichtteils kennen, unterscheiden sich die Regelungen im Detail:
- In Deutschland besteht der Pflichtteilsanspruch in Geld. Wer enterbt wurde, kann also nicht verlangen, dass er eine Erbquote oder bestimmte Gegenstände oder Anteile am Nachlass erhält, sondern nur eine Geldzahlung in Höhe seines Pflichtteils.
- In Italien hingegen ist die Situation komplexer: Der Pflichtteil stellt eine tatsächliche quote, also einen Anteil am Nachlass dar. Die Pflichtteilsberechtigten werden faktisch zu Miterben, es sei denn, sie verzichten oder einigen sich mit den anderen Erben.
Ein weiterer Unterschied betrifft die Berechnung: In Italien werden auch Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat, in die Pflichtteilsberechnung mit einbezogen. In Deutschland ist das nur eingeschränkt der Fall.
💡 Achtung: Es gilt nicht automatisch das italienische Erbrecht, nur weil der Verstorbene Vermögen in Italien hatte. Maßgeblich ist, welches nationale Recht auf den Erbfall anwendbar ist – und das richtet sich nach der EU-Erbrechtsverordnung (Verordnung Nr. 650/2012).
Hat der Erblasser nichts anderes verfügt, gilt das Erbrecht des Staates, in dem er seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.
Mehr zum Thema “wann gilt das italienisce Erbrecht” finden Sie hier: https://cuocolo-legal.com/de/deutsch-italienischen-erbfaelle-alle-wichtigsten-themen/
Das bedeutet:
- Gilt deutsches Erbrecht, kommen die deutschen Pflichtteilsregeln zur Anwendung, auch wenn Immobilien in Italien betroffen sind.
- Gilt italienisches Erbrecht, etwa weil der Erblasser dort gelebt hat oder dies im Testament ausdrücklich bestimmt hat, dann gelten die italienischen Regeln zur quota di legittima.
Diese Unterscheidung kann erhebliche Auswirkungen auf die Höhe und Form der Pflichtteilsansprüche haben.
Wer sind die Pflichtteilsberechtigten in Italien?
In beiden Ländern – sowohl in Deutschland als auch in Italien – zählen zu den Pflichtteilsberechtigten (sog. legittimari):
- Ehegatten bzw. eingetragene Lebenspartner
- Kinder (und, wenn diese nicht mehr leben, ihre Nachkommen)
- In Abwesenheit von Kindern: Eltern des Verstorbenen
Andere Verwandte wie Geschwister oder Nichten/Neffen sind nicht als “Pflichtteilsberechtigte” anzusehen.
Warum gibt es den Pflichtteil?
Die Pflichtteilsregelung schützt den Familienverband. Der Gesetzgeber will damit sicherstellen, dass enge Familienmitglieder auch im Erbfall nicht leer ausgehen – selbst wenn die persönlichen Beziehungen zerrüttet waren oder der Erblasser einen Dritten bevorzugen wollte.
Besonders im italienischen Recht ist der Schutz der Familie ein hohes Gut. Der Pflichtteil soll ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Absicherung gewährleisten und Konflikte unter den Hinterbliebenen möglichst vermeiden.
Wie kann der Pflichtteil verletzt werden?
Eine Verletzung der quota di legittima kann auf zwei Arten erfolgen:
- Durch Testament: Der Erblasser setzt einen oder mehrere Erben ein und übergeht dabei die legittimari oder setzt sie zu gering ein.
- Durch Schenkungen zu Lebzeiten (donazioni) an Dritte oder bestimmte Kinder, die andere benachteiligen.
In Italien werden Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten gemacht hat, grundsätzlich dem Nachlass hinzugerechnet, um zu prüfen, ob die Pflichtteilsquoten gewahrt wurden. In Italien gilt daher in diesem Fall nicht die Zehn-Jahres-Regel, innerhalb derer Schenkungen angefochten werden müssen.
Eine pflichtteilsverletzende Schenkung kann also innerhalb der Verjährungsfrist ab Eröffnung der Erbfolge angefochten werden – selbst dann, wenn die Schenkung bereits vor mehr als zehn Jahren erfolgt ist.
Was passiert bei einer Pflichtteilsverletzung?
Wurde der Pflichtteil verletzt, haben die benachteiligten legittimari verschiedene Möglichkeiten:
- Sie können gerichtlich eine Herabsetzung des Testaments oder der Schenkung verlangen (azione di riduzione).
- Sie können auch die Herausgabe von bestimmten Vermögensgegenständen verlangen, wenn diese den Pflichtteil verletzen (azione di restituzione).
- Besteht Einigkeit unter den Erben, kann auch eine einvernehmliche Lösung gefunden werden, bei der der benachteiligte Erbe einen finanziellen Ausgleich erhält – oft schneller und kostengünstiger als ein Prozess.
In jedem Fall gilt eine Verjährungsfrist: Pflichtteilsansprüche in Italien verjähren in der Regel nach 10 Jahren ab dem Tod des Erblassers (“dall’apertura della successione”). Denn erst ab diesem Zeitpunkt können die Pflichtteilsberechtigten (legittimari) ihren Anspruch geltend machen.
Wie hoch ist der Pflichtteil in Italien? Ein Vergleich mit Deutschland
Die Höhe des Pflichtteils hängt sowohl in Italien als auch in Deutschland vom Verwandtschaftsgrad zum Erblasser und der konkreten Erbkonstellation ab – doch die Berechnungsmethoden unterscheiden sich deutlich.
Pflichtteilsquoten in Italien
In Italien wird der Pflichtteil als fester Anteil am Nachlass berechnet – und zwar inklusive der zu Lebzeiten vorgenommenen Schenkungen (donazioni), die rechnerisch dem Nachlass hinzugerechnet werden. Die Anteile der legittimari sind gesetzlich festgelegt:
- Ein Kind (allein): mindestens 50 % des gesamten Nachlasses steht dem Kind zu.
- Zwei oder mehr Kinder: gemeinsam mindestens 66,67 % (2/3) des Nachlasses.
- Ehegatte allein: mindestens 50 %.
- Ehegatte + 1 Kind: zusammen 66,67 % – aufgeteilt in der Regel je zur Hälfte.
- Ehegatte + mehrere Kinder: zusammen 75 % – verteilt zu einem Drittel auf den Ehepartner, zwei Drittel auf die Kinder.
- Eltern (wenn keine Kinder vorhanden sind): mindestens 33,33 %.
Diese Pflichtteilsquoten begrenzen den Spielraum des Erblassers erheblich – nur der sogenannte verfügbare Teil (sog. “quota disponibile“) kann frei vererbt oder verschenkt werden.
💡 Tipp: Zur groben Orientierung können Sie den Pflichtteil online berechnen, z. B. auf dieser italienischen Seite:
👉 Erbquote und Pflichtteil nach italienischem Recht – Rechner
Pflichtteil in Deutschland
In Deutschland ist der Pflichtteil kein Anteil am Nachlass, sondern ein reiner Geldanspruch (also eine Forderung) in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Das bedeutet:
- Ein Kind, das gesetzlich allein erben würde (100 %), hat als Pflichtteil einen Anspruch auf 50 % des Nachlasswerts – in Geld.
- Ehegatte + 1 Kind: Ehegatte hätte 50 %, Kind 50 % – Pflichtteil des Kindes wären dann 25 % (die Hälfte des gesetzlichen Erbteils).
- Gibt es mehrere Kinder, wird der gesetzliche Erbteil durch deren Anzahl geteilt – und dann halbiert.
Schenkungen werden in Deutschland nur unter bestimmten Bedingungen berücksichtigt (z. B. innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Tod und nur mit Abschmelzungsmodell).
Fazit: Rechtzeitig handeln und sich beraten lassen
Die Pflichtteilsregelung in Italien kann für deutsche Erben herausfordernd sein – besonders, wenn sie mit italienischen Testamenten, notariellen Schenkungen oder unbekannten Vermögenswerten konfrontiert sind.
Unser deutsch-italienisches Anwaltsbüro unterstützt Sie bei der Geltendmachung Ihres Pflichtteils, bei Verhandlungen mit Miterben oder bei der Durchsetzung Ihrer Rechte vor italienischen Gerichten.
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👉 Lesen Sie auch unseren weiterführenden Artikel zum Thema Erbschaft italienischer Immobilien durch deutsche Erben, um mehr über die praktische Umsetzung und steuerliche Aspekte zu erfahren.